26. Februar 2021

Halbzeit auf dem Spielfeld

Ein Kommentar zum Tagesabschluss von #WWWoG (Dr. Thomas Arnold)

 

Wenn Begegnung Räume schafft, dann haben wir heute auf dem Fußballfeld gespielt. Nein, es gab nicht zwei Mannschaften, vielleicht Ost und West, dieser Republik. Na klar ist da der Marxismus-Leninismus und sein grandioses Scheitern in der Realität. Mit all seiner Gottesfeindlichkeit. Und auf der anderen Seite die Selbstverständlichkeit des Glaubens, bei dem es sich gar nicht mehr lohnt, über ihn nachzudenken. Oder um es mit Bischof Timmerevers zu sagen: Da ist eben auf dem Spielfeld alles automatisch katholisch. Noch. Und es bröckelt. 2021 - da setzt sich ein Bischof der Frage aus, wie es wäre, ohne Gott zu leben. Und weiß: Wer nicht das Leid beendet und Gott verkündet, beendet das Vertrauen zwischen Sender und Empfänger. Das verbindet aktuelle Glaubenserfahrung anno 2021. 

 

Manche fragen nach dem „Wie“ des Sprechens mit Ausgetretenen. Und doch schwebt die Frage im Raum: „Wie“ das Sprechen untereinander zwischen den Sicheren und Festen. Aber auf dem Spielfeld gilt: Wer zu fest steht, kommt nicht in Bewegung. Was aber, wenn Gott Bewegung und Prozess will?

Aber Ost und West - 2 Erfahrungen also zwei Mannschaften? Das wäre zu wenig. Stattdessen auf dem Feld: So viele Mannschaften, wie Teilnehmende. Nicht besonders erfolgsversprechend. Aber 330 Mal unterschiedlich. 330 Artikulationen von Sehnsucht und Liebe zum Transzendenten

Da trifft die eigene Erfahrung auf die wissenschaftliche Reflexion. Die Bande für dieses neue Spiel, wie es Klaus Hemmerle vielleicht nennen würde, ist das Digitale hopin, Stadionsprecher Matthias Sellmann und auf der Medientribüne sitzen 12 Studierende, die mit #WWWoG eine Nachricht nach der anderen posteten. Außerhalb der Bande bringt das gleich manch Rechtgläubige ins Zweifeln, ob alles noch katholisch sei.

Und natürlich: Scheinbar ist der Mittelpunkt, der Ball weg? Oder lässt sich Gott zwischen Wissenschaft und eigener Erfahrung hin und her werfen? Wohl kaum. Aber doch die Chance, aus dem Fehl Gottes, ein ganz anders geartetes Dasein Gottes kennenzulernen? Es ist These 7 und leitet über von Macht zu Güte bei Prof. Zaborowski.

Aber was, wenn künftig statt des Trainers ein Roboter zwischen Glaube und Güte vermittelt. Glaube, Güte und Liebe zusammenbringt. Oder, um es mit Prof. Sellmann zu sagen: Was, wenn einem Mensch ein Priester mit Stola in der Mitte steht und die Menschen segnet? Angesichts des Missbrauchsskandals fast eine zynische Zumutung, mindestens aber eine Provokation, dass gerade die Fehler- und Sündhaftigkeit des Menschen das Non plus ultra sind, wenn künstliche Intelligenz begegnet. Fragilität ist das eine, Schuld das andere.

Und da ist der Elefant mitten im Raum: Erfahrung des Leids führt dazu, dass Gott zur Ohnmächtigkeit führt. Angesichts der Gewalttaten erweist sich Gott als schweigend, obwohl die Perspektive der Opfer ein Schrei ist: Wo ist mein Gott? - Es wäre ein Streichen des Prädikats „Macht Gottes“.

Birgit Aschmann streicht zusammen, was 1968 zum Skandal führte und was hätte schon aufgeklärt werden können. Das sagt die Historikerin. Zusammenzucken lässt für die Gottesfrage etwas anderes: Mit der Macht des transzendenten Gottes-Begriffs, dessen Name zum Spielball eigener Abgründe wird, greift die Institution im Individuellen, wo die Türen der Beichtstühle geschlossen sind, zur Gewalt. Und Birgit Aschmann provoziert - zumindest mich: Denn sie fragt nach der Komplizenschaft Gottes. Zumindest im Geschehen lassen. Oder greift Gott doch ein?

Damit liegt auf dem Feld das Thema, was morgen eine neue Form bekommen soll: Wenn zwei Frauen über Macht sprechen. Und artikulieren, was ihnen fehlt. Und wo sie einen Missbrauch sehen. Der Entzug Gottes in der Institution.

Debatten an dem Rand des Vorstellbaren und Denkbaren haben am ersten Tag Sie, liebe Teilnehmende, zwischen Erschöpfung und mutmachenden Perspektiven im Denken gefordert. Auch im Fragen? 

Ist also ohne Gott doch alles viel leichter? Was dann aber mit den absoluten Maßstäben von gut und böse? Was mit dem Gedanken, dass am Ende nicht nur alles gut wird, sondern auch gerecht wird? Und der Wille zur Macht wäre das Rudiment ohne Gott. … es ist der fragende Gestus. Der aber heute gipfeln lässt in der demütigen Frage: Ist das gute Tun des anderen ein Beweis der Existenz Gottes. Ein Einbruch Gottes durch das ganz Andere, ohne dass es ein evidenzbasierten Beweis wird. 

Das Fernsehen ist dabei. Der YouTube-Kanal der Akademie wird zur Akademie. Und hält das Fragen dauerhaft aus. Noch mehr: Es hält auch die Video-Unterbrechungen fest. Mit Poesie und Kunst ein Versuch, das Unaussprechliche zum Ausdruck zu bringen.

Und Volker Resing, der auch morgen wieder eine Begeisterung für die Konferenzatmosphäre entfaltet, während er mit den Anregungen der Tagungen die nächste Ausgabe der Herder Korrespondenz plant. Doch es blitzt auf, zwischen ihm und Frau Ledergerber: Denken wir genug über uns nach? Oder schaffen wir Apologetik, um über eigene Suchbewegungen hinwegzutäuschen? Oder fordert gerade die Frage auf, das Triggern auf die moderne Technik über unser Verhalten zu Gott nachzudenken? Welche religiösen Bedürfnisse projezieren wir auf die künstliche Intelligenz? Müssen wir uns nicht viel mehr durch die areligiöse Gesellschaft lehren lassen, wo Gott zu finden ist. Lesen wir die Psalmen eines Heiden, der Gott verpasste? Das bedeutet Sprachmodelle. Vielleicht auch ein Weiterdenken, dass über den Missionsbegriff hinausgehen? Wie gelingt im Entzug Gottes ein evangelii gaudium? Mit dem Ende der Gotteserfahrung öffnet sich der Raum zur Diskussion über das Deuten der Ereignisse. Und wer begleitet.

Am Ende das Wort eines Kindes, das heute den Titel las, während die Mutter im HomeOffice zusah: „Was und wie, wenn ohne Gott? - das wäre aber nicht schön. Das wäre kein gutes Leben“. Fehl, Abwehr, Tod Gottes - Fragen, die für morgen weitergehen. Der Tod Gottes ist eine Erfahrung unserer Zeit. Deswegen müssen wir sie radikal ernst nehmen.

Und jetzt? Abpfiff. Halbzeit. Ob das Runde ins Eckige kommt, entscheidet sich morgen ab 9 Uhr. Mittelpunkt des Spiels bleibt der gleiche. Kondition der Spieler verändert sich. Auftanken ist angesagt. Nachdenken. Suchen. Grübeln und hoffen.

Was dabei helfen kann? Vielleicht die Hashtag-Wall zum Erinnern an den Tag. Vielleicht der Blick heute Abend in die Bibel. Oder das Aushalten der Stille Denn selbst was verloren scheint, kann noch in der letzten Minute gedreht werden. Gott zu begegnen, ist Prozess. Spielzeit ist das Leben. Und das damit verbundene Ringen um die Frage: Was und wie, wenn ohne Gott“