13. November 2018

Selbstwert stärken und im Dialog bleiben

Gregor Gysi und Bischof Gerhard Feige diskutierten in Leipzig gegen Hass und Hetze

Lange Schlangen bildeten sich vor der Propsteikirche in Leipzig, denn die Katholische Akademie des Bistums Dresden-Meißen hatte zu einem interessanten Diskussionsabend geladen. Auf dem Programm unter dem Motto „Ich hasse nicht zurück“ stand ein Gespräch zwischen dem Linken-Politiker Dr. Gregor Gysi und dem Magdeburger Bischof Dr. Gerhard Feige gegen Hass und Hetze.

Beide warnten vor 240 Zuhörer*innen gemeinsam davor, andere Menschen zu hassen. "Wer hasst, lehnt einen anderen nicht nur ab, sondern sieht ihn als Übel an und bekämpft ihn. Hass zielt auf Verneinung, Entzweiung und Zerstörung ab", sagte der Bischof Feige in Leipzig. "Persönliche innere Gefühle werden durch aufrührerische Propaganda in einer Gesellschaft gemeingefährlich."

"Immerhin hasse ich nicht zurück"

Gysi betonte: "Erziehung zum Hass ist immer falsch." Wenn einem Hass entgegenschlage, müsse man analysieren, warum der andere hasse: "Dann wird man im Urteil schon milder." Mit Blick auf die biblische Bergpredigt Jesu sagte Gysi: "Meine Feinde lieben, das kann ich nicht. Aber immerhin hasse ich nicht zurück." Wer zurückhasse, sei nicht mehr zum Dialog fähig.

Von den Erfahrungen einer geschlossenen Gesellschaft

Feige sieht in den Flüchtlingen nicht den ursächlichen Grund für den zunehmend offen zutage tretenden gesellschaftlichen Hass: "Sie waren allenfalls Katalysator für Verunsicherung." Seines Erachtens resultiere die Polarisierung der Gesellschaft aus früheren Prägungen, die nun wieder hochkämen: "Mancher fühlt sich nicht als Subjekt, sondern eben immer als Objekt der Geschichte: erst gelenkt vom großen Bruder Russland, jetzt von Brüssel." Gysi pflichtete bei: "Hass hängt immer damit zusammen, mit der eigenen Situation unzufrieden zu sein. Wer sich zu kurz gekommen fühlt, hasst schneller andere." Das dieses Phänomen des besonders stark in Ostdeutschland verbreitet sei, führte Gysi darauf zurück, dass sich Ostdeutsche als Verlierer der Geschichte verstehen. Sie hatten nicht nur die Sowjets als Besatzer, sondern waren zudem eine geschlossene Gesellschaft, mit wenig internationalen Begegnungen, wurden bei der Einheit Deutschlands nicht gleichgestellt und waren in den frühen 90er Jahren von Massenarbeitslosigkeit betroffen. „Diese erlebten Ängste um die Existenz haben sich ganz tief eingeprägt“, so Gysi.

Dialoge stärken

Ein wichtiger Weg aus der Hassspirale herauszukommen sei die Stärkung des Selbstwertes und das Gespräch, denn so Bischof Feige: „Anonym und auf Distanz lässt es sich leichter hassen als von Angesicht zu Angesicht.“

Mit Blick auf die hohen Wahlergebnisse der AfD rief der frühere Fraktionsvorsitzende der Linken dazu auf, möglichst viele gesellschaftliche Gruppen, Kirchen, Gewerkschaften, Kulturschaffende miteinander ins Gespräch zu bringen, was man gegen Rechtspopulismus tun könne. "Ich möchte den Tag nicht erleben, wo wir uns vorwerfen müssen, da zu wenig zusammengearbeitet zu haben", so Gysi. Politik und Medien rief er in diesem Zusammenhang auf, wieder "mehr aufzuklären und eine verständliche Sprache zu sprechen".

Hass und Hetze durchdenken

Seine urchristliche Haltung  des „ich hasse nicht zurück“, führt Gysi auf die Bergpredigt zurück, auch wenn es ihm schwerfällt, seine Feinde zu lieben.“ In sehr persönlichen Einblicken erzählt auch der Bischof, dass ihm Wut und Schimpfworte keine unbekannten Gefühle seien, ebenso wie Verbitterung und Ohnmachtsgefühle. Aber Hass kenne er nicht.

Moderiert wurde der Abend von Frank Richter, dem ehemaligen Leiter der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung. Der Gesprächsabend setzt die Veranstaltungsreihe „Hass und Hetze“, die das Leipziger Programm der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen im Herbst 2018 prägt, fort. Akademiedirektor Dr. Thomas Arnold: „Gerade die jüngsten politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Sachsen und darüber hinaus unterstreichen für uns die Notwendigkeit, Akzente gegen Hass und gesellschaftliche Verrohungstendenzen in der analogen wie in der digitalen Welt zu setzen und nach ihren Ursachen zu fragen. Als katholische Institution stellen wir uns dabei nicht zuletzt der Frage, wie dies aus christlicher Weltverantwortung heraus geschehen soll, sind aber auch stets an einem Dialog mit anderen Institutionen und Nicht-Christen interessiert.“

Der Text wurde übernommen vom Bistum Magdeburg.

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