02. März 2022

Jetzt mehr auf die Gemeinschaft der Kirchen setzen

Prof. Dr. Thomas Mark Németh über den Ukraine-Krieg und die Rolle der Kirchen

Im Podcast “Mit Herz und Haltung” kritisiert der ukrainisch-katholische Theologieprofessor Prof. Dr. Thomas Németh das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Kyrill, wegen seiner religiösen Legitimierung des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine vom letzten Sonntag.

Man müsse jetzt “nicht so auf die Oberhäupter der Kirchen setzen, wie wir das oft gewohnt sind, sondern auf die Gemeinschaft der Kirchen in den jeweiligen Ländern”. Enttäuscht zeigte er sich ebenso von den Aussagen von Papst Franziskus am gleichen Tag, weil er weder von einer Invasion gesprochen habe, noch Russland und Putin erwähnt habe. Németh sieht zum aktuellen Zeitpunkt keine großen Erfolgsaussichten einer vermittelnden Diplomatie. Auch für die Ökumene zwischen orthodoxer und römisch-katholischer Kirche könnte der Ukraine-Krieg einen Wendepunkt darstellen.

Aus Anlass des Kriegs in der Ukraine veröffentlicht die Katholische Akademie am heutigen 2. März 2022 ein Special ihres Podcasts “Mit Herz und Haltung”. Für die Sonderfolge “Putins Kampf mit Gottes Segen?” sprach Daniel Heinze mit Prof. Dr. Thomas Mark Németh, Professor für Theologie des christlichen Ostens am Institut für Historische Theologie der Universität Wien.

Seit Tagen hält der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine die Welt in Spannung. Rund 70 % der ukrainischen Bevölkerung seien Gläubige, so Németh. Doch die besonders vom orthodoxen Christentum geprägte Religionsgemeinschaft ist keineswegs homogen. Besonders die Spaltung zwischen der zum Moskauer Patriarchat gehörenden Ukrainischen Orthodoxen Kirche und der 2018 gegründeten Orthodoxen Kirche der Ukraine spielt in der aktuellen Krise eine herausgehobene Rolle. Interessant sei, dass diese tragischen Ereignisse ein Schritt zur Wiedervereinigung der beiden Zweige sein könnten, jedoch müsse man zunächst die weiteren Entwicklungen abwarten, so Németh. 

Des Weiteren begrüßte Németh, der auch persönliche Kontakte in die Ukraine hat, den Mut all derer, die Widerstand gegen die Aggressionen Russlands leisten und die Menschen in der Ukraine unterstützen. Man habe einerseits Kirchenoberhäupter wie Kyrill, die Rechtfertigungen dafür liefern, junge Menschen in den Tod zu schicken, sowie getaufte Menschen, die das aktuelle Vorgehen Russlands rechtfertigen. Andererseits sehe man jetzt aber “auch das Engagement von so vielen Nicht-Glaubenden, in denen wir Christen auch Gottes Stimme hören, jenseits all dieser Institutionen”, so Németh.

Die gesamte Podcast-Folge können Sie hier hören:
https://lebendig-akademisch.podigee.io/168-putins-kampf