12. November 2020

Die „Kultur des Schweigens“ durchbrechen

Neue Podcast-Folge widmet sich dem Missbrauch an Ordensfrauen in der Weltkirche

Dresden, 12.11.2020 Der Podcast der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen „Mit Herz und Haltung“ greift in seiner aktuellen Folge das Thema des sexuellen Missbrauchs an Ordensfrauen auf. Das ist ein Problem, dem sich die katholische Kirche weltweit stellen muss.

Anlass für das Podcast-Interview ist das Erscheinen einer Umfrage des internationalen katholischen Hilfswerkes missio Aachen Anfang September 2020 unter dem Titel „Missbrauch an Ordensfrauen“. Diese dokumentiert die Ergebnisse einer ersten Erhebung zum Thema, die „missio“ mit seinen Partnerorganisationen in Afrika, Asien und Ozeanien 2019 durchgeführt hat. Pfarrer Dirk Bingener, Präsident von missio Aachen, und Katja Heidemanns, Leiterin der Abteilung Spenderservice bei dem Hilfswerk, erläutern im Interview Gründe und Risikofaktoren, die Missbrauch an Ordensfrauen begünstigen, zeigen auf, welche Präventionsmaßnahmen notwendig sind und wie internationale Hilfswerke wie „missio“ diese unterstützen können.

Die Podcast-Folge erscheint begleitend zur Tagung „Gefährliche Seelenführer? Geistiger und geistlicher Missbrauch“ der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen. Diese Tagung, bei der die katholische Kirche in Deutschland erstmals umfassend das Phänomen geistlichen Missbrauchs in den Blick nimmt, findet als digitale Veranstaltung am 12./13. November 2020 statt.

Für missio Aachen war laut Präsident Bingener der letzte Anstoß, eine Umfrage zu sexuellem Missbrauch an Ordensfrauen unter den Partnerorganisationen in Afrika, Asien und Ozeanien durchzuführen, die Aussagen von Papst Franziskus von 2019, der das Phänomen des Missbrauchs an Ordensfrauen in der Weltkirche „auf die Agenda gesetzt“ habe. missio wolle Papst Franziskus dabei unterstützen, dass dieses Thema nicht wieder versande. Der Missbrauch an Ordensfrauen in der Weltkirche müsse, so der missio-Präsident, endlich auf „breiter Basis“ thematisiert werden. Schließlich könne keineswegs „von Einzelfällen gesprochen werden“. Bingener führt aus, 69 Prozent der an der Umfrage Beteiligten hätten angegeben, „dass das Thema Missbrauch an Ordensfrauen in ihren Augen eine hohe oder sehr hohe Relevanz“ habe. Für Pfarrer Bingener hängt das auch damit zusammen, dass das Thema sexueller Missbrauch von den Befragten als sehr „schambesetzt“ geschildert und den betroffenen Ordensfrauen oft „nicht geglaubt“ werde.

Die Umfrage zeigt, so Heidemanns, dass für die Ordensfrauen der „moralische und seelische Beistand“ sehr wichtig sei und sie Orte brauchen, in denen ihnen vorurteilsfrei zugehört werde. Für die missio-Partnerinnen und Partner, die diesen Ordensfrauen helfen wollen, steht die Förderung von „Präventionsmaßnahmen“ sowie „Fortbildungs-, Aufklärungs- und Dialogveranstaltungen“ im Vordergrund, berichtet Heidemanns. So könne auch die „jahrzehnte- oder gar jahrhundertelangen Tradition der Unterordnung im Selbstverständnis der Ordensfrauen als Dienerinnen“ überwunden werden, die die Kultur des Schweigens mit begünstige.

Pfarrer Bingener sieht nicht zuletzt im Klerikalismus eine Praxis, die den Missbrauch begünstige. Auch in afrikanischen oder asiatischen Ländern besäßen Priester „eine große geistliche und weltliche Macht“, die anfällig dafür ist, „für eigene Zwecke“ missbraucht zu werden. Es gelte, die „Machstrukturen auf[zu]brechen“, damit letztendlich ein Dialog auf Augenhöhe „zwischen Ordensgemeinschaften, Bischöfen und Priestern in Gang gesetzt“ werde. Dazu gehörten beispielsweise Fragen wie die, „welche Möglichkeiten Ordensfrauen“ hätten, „ihr geistliches Lebens stärker selbst zu gestalten“, um weniger abhängig von „Beichtvätern“ zu werden, die sie missbrauchen könnten.

Für Heidemanns steht fest, dass Veränderungen in den jeweiligen Ländern vor Ort „von unten kommen“ müssen, also „aus den Regionen selbst, aus den Ordensgemeinschaften und aus bereits bestehenden Netzwerken“. Missio Aachen wolle diese Prozesse unterstützen. Dazu zähle unter anderem eine stärker professionelle „Ausbildung von Ordensfrauen“ oder Priesterseminaristen, die das Thema Missbrauch oder Sexualität behandele und die missio fördert.

Bingener sieht es jedoch zunächst als erste Aufgabe von missio an, „die psychologische, spirituelle und juristische Begleitung von Ordensfrauen, die Missbrauch erfahren mussten“, zu fördern. missio werde sich dazu mit den Partnerorganisationen eng abstimmen, „was konkrete nächste Schritte sein könnten“. In jedem Fall ergäbe sich „aus dem Vertrauen“, welches missio „in der Umfrage geschenkt wurde“, eine Verpflichtung, „gemeinsam Konkretes umzusetzen“.

 

Nähere Informationen zur Umfrage des Hilfswerkes „missio“

https://www.missio-hilft.de/missio/informieren/wofuer-wir-uns-einsetzen/frauenrechte/missio-hilft-auswertungsbericht-2020-missbrauch-an-ordensfrauen.pdf

 

Podcast „Mit Herz und Haltung“

Im Podcast „Mit Herz und Haltung“ der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen nehmen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sowie Expertinnen und Experten verschiedener Fachdisziplinen Stellung zu den wissenschaftlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und kirchlichen Fragestellungen. Neue Folgen erscheinen in regelmäßigen Abständen auf Spotify, Deezer, Apple Podcasts, YouTube sowie auf den Websites der Akademie (www.lebendig-akademisch.de) und des Bistums (www.bistum-dresden-meissen.de).

Bislang sind 38 Folgen erschienen.

Das ganze Gespräch zum Nachhören finden Sie hier (ab 12.11.2020, 16.00 Uhr):

https://lebendig-akademisch.podigee.io/39-missbrauch-an-ordensfrauen