12. Oktober 2020

Zeit für Veränderung. Mut zur Entscheidung.

Nachlese zu einer Veranstaltung mit Pater Dr. Anselm Grün OSB

Chemnitz, 12.10.2020  Am 8. Oktober 2020 fand in St. Johannes Nepomuk, Chemnitz, ein Vortrahsabend mit Pater Dr. Anselm Grün OSB, Münsterschwarzach, statt. Im Foyer ist ein mobiler Verkaufsstand für Bücher aufgebaut. Von vielen Bucheinbänden schaut mich das Gesicht des Verfassers an. „Mut zur Entscheidung“ lautet der Titel des neuen Buches von Pater Anselm Grün. Dies ist auch das Thema des heutigen Abends.

Gespanntes Zuhören bestimmt die Atmosphäre in der Kirche. Pater Anselm Grün referiert mit Struktur, in dem er erzählt. Er spricht über Entscheidungen, die Jede und Jeder fällen muss.  Er betont das dahinterliegende lohnende Ziel: Es gilt in das eigene Ich hineinzuwachsen, dem eigenen Impuls zu folgen. Den eigenen Weg zu gehen und nicht den Weg, den alle gehen. In diesem Sinne deutet er das Wort Jesu vom schmalen und vom breiten Weg.

Warum fällt es uns mitunter schwer, sich zu entscheiden? Manche möchten eine perfekte Entscheidung treffen. Oder sie vergleichen ihre Entscheidung und denken: Der andere Weg wäre bestimmt besser gewesen. Doch das entzieht uns Lebensenergie. Auch auf Umwegen lernen wir. Jede Entscheidung ist begrenzt. Sie gilt nur für eine Sache jetzt im Leben. Wer sich entscheidet, macht sich auch angreifbar. Er kann kritisiert werden. Manche möchten das vermeiden. Oder sie wollen sich alle Türen offenlassen. Sie werden am Ende nur verschlossenen Türen finden. Mitunter liegen lebensgeschichtliche Gründe hinter dem fehlenden Mut zur Entscheidung.  Menschen haben als Kinder zu wenig väterliche Ermutigung erlebt. Jetzt scheuen sie das Risiko. Doch wir können mit anderen väterlichen Personen nachlernen, das Vaterbild in uns stärken, auch in der Beziehung zu Gott als Vater.

Was hilft uns bei Entscheidungen? Sie eröffnen neue Horizonte. Es gilt, sich aus der eigenen Mitte heraus zu entscheiden. Das Bauchgefühl ist beziehungsorientiert. Die Intuition ist unser Erfahrungsspeicher. Beide sind gute Ratgeber. Reine Kopfentscheidungen sind weniger gut. Unsere Lebenssituationen sind komplex und rational nicht fassbar. Träume und innere Bilder können gute Helfer sein, sollten aber nicht allein unsere Entscheidungen bestimmen. Das Gebet hilft bei Entscheidungen. Gott sagt nicht, was wir tun sollen. Aber es hilft uns, ihm die Möglichkeiten hinzuhalten und achtzuhaben auf unsere Gefühle und Impulse. Eine alte Mönchsregel besagt: Tue das, was dich lebendig macht, dich zu Freiheit, Friede und Liebe führt. In der Tiefe unserer Seele ist unser Wille identisch mit Gottes Willen. Paulus nennt den Willen Gottes unsere Heiligung. Das meint unser Heilwerden und Ganzwerden. Es ist bei Entscheidungen wichtig, sich nicht von anderen drängen zu lassen. Mitunter brauchen wir Zeit zur Klärung. Doch dann gilt es die Initiative zu ergreifen. Eine praktische Entscheidungshilfe wird uns mitgegeben. Wir können in die Entscheidung hineingehen und uns vorstellen, wie es in zehn Jahren sein wird. Ruft diese Vorstellung Gefühle von Lebendigkeit und Freiheit wach?

Gegen Ende seines Vortrags spricht Pater Anselm Grün zu Arbeit und Familie. Aus seiner Tätigkeit als Cellerar eines Klosters weiß er, wie wichtig es ist, rechtzeitig wirtschaftliche Entscheidungen zu fällen. Er kennt aber auch die Gefahr, etwas übereilt kämpferisch durchzuboxen. Es braucht ein Gespür für das, was jetzt dran ist. In der Familie entscheiden die Kinder, wenn Erwachsene „ihre Ruhe haben wollen“ und sich vor nachfolgenden Auseinandersetzungen fürchten. In Ehe und Partnerschaft ist es wichtig, dass beide Partner Raum zum Entscheiden haben. 

Pater Anselm Grün schließt mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für die Freiheit des persönlichen Gewissens. Es gehört zur Würde des Menschen seinem Gewissen zu folgen.  Moralische Drohungen sind gegen die Würde des Menschen gerichtet und damit in sich selbst unmoralisch.

Ein Zuhörer fragt im Anschluss an den Vortrag, welche persönliche Motivation Pater Anselm Grün antreibt.  Als Mönch möchte er die Weisheit der christlichen Tradition vermitteln. Leser und Zuhörer sollen spüren, wie sie zum Leben hilft. Sowohl die Bibel als auch die Tradition der Mönche und der Kirche bedarf einer Übersetzung. Er sieht sich als Übersetzer für unser heutiges Leben. Das ist ihm an diesem Abend gelungen.

Im Foyer wird der mobile Bücherstand von den Besuchern interessiert angenommen. Manche lassen sich ihr soeben erworbenes Buch noch persönlich signieren.

Der Vortrag fand statt im Rahmen der Veranstaöltungsreihe „Wandel“. Weitere Termine der Reihe:

15. Oktober 2020, Donnerstag, 19.30 Uhr: (Un)Kraut vergeht nicht. Sprache und Kommunikation im Wandel.

22. Oktober 2020, Donnerstag, 19.30 Uhr: Scheitern – bloß typisch menschlich! Die Auskunft der philosophischen Anthropologie.

28. Oktober, Donnerstag, 19.30 Uhr: Wenn nichts bleibt, wie es war. Transformation der kirchlichen Pastoralmacht in kapitalistischen Zeiten.

5. November 2020, Donnerstag, 19.30 Uhr: Das Dogma im Wandel. Wie sich Glaubenslehre entwickelt.

Veranstaltungsort: Gemeindezentrum St. Johannes Nepomuk, Hohe Straße 1,Chemnitz.

Bitte melden Sie sich an unter www.ka-dd.de/wandel

(Friedburg Gerlach, 12.10.2020

Bildquelle:Lesekreis