09. August 2019

Komplexität und Einfachheit

Summerschool in Salzburg

Auf Einladung der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen nahmen in diesem Sommer ca. 55 Personen aus Mitteldeutschland an den Salzburger Hochschulwochen teil, davon zahlreiche Studierende der Universitäten in Dresden und Erfurt. Ein Bericht von Dresdner Theologiestudierenden.

Die Komplexität der Welt und die Sehnsucht nach Einfachheit

Eine Gruppe von 12 Studierenden der Katholischen Theologie und der Musikwissenschaften an der TU Dresden machte sich am Montag, dem 29. Juli, auf den Weg nach Österreich. Auf Initiative und unter der Leitung von Dr. habil. Julia Enxing, Professur für Systematische Theologie (kath.), nahmen sie an der diesjährigen Salzburger Hochschulwoche teil, die vom 29. Juli bis zum 04. August unter dem Titel „Die Komplexität der Welt und die Sehnsucht nach Einfachheit“ stattfand. Namhafte Expert*innen verschiedener Fachgebiete beleuchteten das Thema aus der Perspektive ihrer jeweiligen Disziplin.

Hervorragend organisiert und unterstützt wurde die Veranstaltung von der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen. Neben den Dresdner Studierenden nahmen auch Mitarbeitende des Bistums und Studierende aus Erfurt teil.

Ist einfach immer nur einfach?

Inhaltlich erwartete die Teilnehmenden ein breites Spektrum: Von hitzigen katholisch-systematischen Debatten über Beiträge zur Notwendigkeit von Ambiguitätstoleranz, Vorträgen zu Eintagsküken bis hin zur Klimaentwicklung und der scheinbaren Sehnsucht des Menschen nach Apokalypsen.

Komplexitätfindet sich also in allen Bereichen unseres Lebens, so viel ist sicher. Was ist nun aber mit der Einfachheit? Ist einfach immer einfach und noch dazu immer gut?

Das Programm war zeitlich wie thematisch dicht gefüllt.

Der Freiburger Theologe Magnus Striet sprach über den „freiheitsliebenden Menschen“, der einen „freiheitsliebenden Gott“ notwendig mache und bezeichnete den Glauben als eine Kraft, die gegenüber der Komplexität der Welt resilient machen könne.

Eva Horn, Kulturwissenschaftlerin aus Wien, erläuterte die aktuellen Änderungen im Erdsystem – Klimawandel, Artensterben etc. – als eine „Katastrophe ohne Ereignis“, die daher unfasslich und komplex erscheine.

Das Verhältnis Mensch-Tier stand im Fokus des Vortrags von Herwig Grimm, der sich seinem Thema aus moralphilosophischer Perspektive näherte. Durch die Prämisse, dass das Verhältnis zum Tier vor allem über den Menschen selbst Auskunft gebe, gelangte er zu spannenden Erkenntnissen zur Beziehung zum Wehrlosen und Fremden.

Komplexe Sachverhalte in 1:30 

Weit über seinen eigentlichen Gegenstand, die Islamwissenschaft, hinausgreifend, stellte Thomas Bauer vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Universität Münster wesentliche Begriffe vor, die der Annäherung zum Verhältnis des Menschen zu komplexen Phänomenen dienen können: Ambiguität und Ambivalenz und, vor allem, die Fähigkeit des/der Einzelnen, zwiespältige Erscheinungen aushalten und mit ihnen umgehen zu können – Ambiguitätstoleranz.

Claudia Nothelle, früher Rundfunkredakteurin, jetzt Professorin für Fernsehjournalismus an der FH Magdeburg-Stendal, erläuterte die Probleme, die sich aus der journalistischen Notwendigkeit einer möglichst knappen Darstellung komplexer Sachverhalte ergeben.

Fahrt nahm das Programm auf in einer Diskussion zum Thema: „Einfach glauben?!“, bei der sich in Person der Diskutant*innen die Universitätsdisziplin Theologie und charismatische Glaubenspraxis gegenüberstanden. Themen waren unter anderem die Frage, ob „die Theologie“ „den Glauben“ kaputt mache sowie die Diskrepanz zwischen Erkenntnissen der Fachwissenschaften und deren Rezeption durch das Lehramt.

Ein anderes spannendes Format der Hochschulwochen war der Publikumspreis: Drei Nachwuchswissenschaftler stellten je in einem 25-minütigen Vortrag ihr Thema vor und wurden anschließend vom Publikum nach festgelegten Kriterien bewertet.

Reinhard Heinisch, selbst als Politologe in Salzburg tätig, gab einen fundierten Überblick über den Begriff des Populismus, beleuchtete die aktuelle Relevanz dieser „dünnen Ideologie“ für das politische und gesellschaftliche Geschehen in Europa und stellte Ideen vor, wie dem Phänomen begegnet werden könne.

Brigadier Gustav Gustenau vom österreichischen Verteidigungsministerium präsentierte komplexeModelle, die die moderne Verteidigung einzelner Staaten aufzeigen und eine mögliche Kriegsführung abbilden können.

Theologische Diskussionen in smarter Sommerfrische

Kopf oder Bauch – zur Relevanz beider Faktoren für Entscheidungen hielt der Konstanzer Psychologe Wolfgang Gaissmaier einen Vortrag und ermutigte dazu, der Intuition mehr Raum zu geben.

Letzter Vortrag des Programms war schließlich der des Pastoraltheologen Wolfgang Beck, der in seinem Vortrag zum „essayistischen Denken“ dazu ermutigte, eine „unabgeschlossene, diskursive Annäherung“ an einen Gegenstand für gewinnbringender zu erachten als ein unbedingtes Begreifenwollen – das passende Schlusswort also einer Woche, in der genau dies geschah.

„Flanieren“ war ein anderes Stichwort dieses Vortrags, das sich aus dem intellektuellen Bereich leicht in den dinglichen umsetzen ließ: In den Pausen fanden die Teilnehmenden genügend Zeit, die ein oder andere Spezialität Salzburgs zu kosten, auf der Wiese zu entspannen und die Themen sacken zu lassen oder die Stadt, begleitet von angeregten theologischen Diskussionen, zu erkunden. Selbst noch zu später Stunde bei Knödel und Bier waren die Studierenden von den Themen der tagsüber gehörten Veranstaltungen begeistert. Auch der Besuch eines Konzertes oder eines Schauspiels im Rahmen der Salzburger Festspiele stand auf der Agenda, für die zu Beginn der Hochschulwoche Karten verlost wurden. 

Das Fazit: Eine rundum gelungene Veranstaltung, die unbedingt wiederholt werden sollte!

 

Bericht von Eva Mariann Karwowski und Sören Frickenhaus