06. Juli 2023

Braucht Gott Influencer?

Die deutsche Übersetzung unseres Podcasts mit Dr. Nataša Govekar über Glaubenskommunikation in sozialen Medien

Kürzlich veröffentlichte das römische Dikasterium für Kommunikation unter dem Titel „Towards Full Presence“ – übersetzt: „Auf dem Weg dahin, ganz gegenwärtig zu sein“ - ein Dokument mit pastoralen Überlegungen zum Umgang mit Sozialen Medien. Die heutige Folge unseres Bildungspodcasts "Mit Herz und Haltung" greift dieses auf und blickt in zwei Teilen auf das Thema Glaubenskommunikation und Social Media.

Zuerst gibt Dr. Falk Hamann aus dem Team von "Mit Herz und Haltung" einen kurzen Überblick über die Kernaussagen des Dokuments. Es folgt ein Gespräch mit der Direktorin der Pastoralabteilung des vatikanischen Dikasteriums für Kommunikation, Nataša Govekar, das Daniel Heinze, Moderator und Produzent von "Mit Herz und Haltung", im November 2022 auf dem Katholischen Medienkongress in Bonn geführt hat. Das Gespräch wurde auf Englisch geführt. Im Folgenden stellen wir Ihnen ergänzend gerne eine deutschsprachige Arbeitsübersetzung zur Verfügung.

Die neue Folge von "Mit Herz und Haltung" können Sie hier oder in einer Podcast-App Ihrer Wahl anhören. Wir freuen uns über Ihre Rückmeldung und Kommentare bei Instagram, Facebook oder Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

 

 

Die Übersetzung des Gesprächs

 

Daniel Heinze (00:16):

Frau Nataša Govekar, vielen Dank, dass Sie zugesagt haben. Schön, dass Sie da sind.

Nataša Govekar (00:33):

Danke für die Einladung.

Daniel Heinze (00:36):

Derzeit gibt es nur 4 Bischöfe, die auf “Twitter” unterwegs sind. Vor ein paar Wochen [im Spätjahr 2022, Anm. d. Red.] hat der Bischof von Passau, Stephan Oster angekündigt, dass er sich von Twitter für immer abmeldet. Er meinte, der Grund für seine Entscheidung sei, dass Twitter die Menschen nicht zusammenbringt, sondern nur noch mehr Spaltung schafft. Also ist Twitter Ihrer Meinung nach immer noch eine gute Gelegenheit für Christen, um Ihre Meinungen zu teilen und um über Ihren Glauben zu diskutieren? Was denken Sie?

Nataša Govekar (01:02):

Das ist eine gute Frage. Ich denke, wir befinden uns definitiv im Jahr, in dem die Begeisterung für all diese Social-Media-Plattformen vorbei ist und die Menschen sich immer mehr Sorgen darüber machen, was die tatsächlichen Ergebnisse und Früchte sind, die bei der Art und Weise, wie diese Plattformen gestaltet sind, herauskommen. Es gibt Leute, die die Parallele zu physischen Plätzen wie Städten ziehen. Wenn eine Stadt dreckig wird, wollen Menschen wahrscheinlich nicht dort leben. Und das ist wahrscheinlich der Grund dafür, dass so viele Menschen eine Social-Media-Plattform für eine andere verlassen. Die Frage ist für uns Christen, wie wir – zusammen mit allen anderen Bürgern und Bürgerinnen – fordern können, dass diese Plattformen, wenn sie uns nicht helfen, menschlicher zu werden und gesunde menschliche Beziehungen zu pflegen, verändert werden? Wie können wir erreichen, dass diese Plattformen wieder zu öffentlichem Eigentum werden und uns als Bürgern und Bürgerinnen zurückgegeben werden, anstatt einer einzigen privaten Person?

Daniel Heinze (02:38):

Ich denke, das ist eins der Hauptprobleme. Ich meine, jeder ist irgendwie auf diesen Plattformen, aber die Plattformen gehören reichen Menschen, die darüber entscheiden, was mit den Plattformen passiert. Und auf der anderen Seite, wenn die katholische Kirche sagen würde „Nein, dies ist kein guter Ort für uns“, wäre es, als würde sie sich nicht an der echten Welt beteiligen, sondern sie auf eine Weise vermeiden.

Nataša Govekar (03:03):

Ja. Genau. Die Konversation beginnt gerade erst, weil, wie ich bereits sagte, wir uns in einer langen Zeitspanne des Enthusiasmus befanden, letztendlich darüber redeten, wie wir diese Plattformen zum Evangelisieren nutzen sollten. Aber es gibt ein noch tiefer liegendes Problem. Sind diese Orte auf gute Art und Weise strukturiert? Und wie können wir sie wirklich ändern, sie sind schließlich nicht in Stein gemeißelt. Wie können wir fordern, dass sich diese Dinge ändern?

Daniel Heinze (03:44):

Haben Sie irgendeine Idee, wie?

Nataša Govekar (03:45):

*Lacht* Nein, habe ich nicht, ich habe immer noch viele Fragen, und ich habe nur wenige Antworten. Aber das erste, was wir als Christen tun sollten, ist, uns am Gespräch zu beteiligen. Ja. Ich denke, das sollten wir tun.

Daniel Heinze (04:04):

Was denken Sie, sind allgemeine Herausforderungen beim Kommunizieren seines Glaubens über Social Media?

Nataša Govekar (04:09):

Ja. Erstens, wie ich bereits gesagt habe, ist es bereits eine große Herausforderung, wie diese Plattformen gestaltet sind. Deshalb müssen wir uns dessen bewusst sein. Ich höre oft „Ja, aber es kommt darauf an, wie man sie nutzt. Ob man sie für gute oder schlechte Zwecke nutzt.” Allerdings kommt es nicht nur auf dich an. Es kommt auch darauf an, wie diese Plattformen gestaltet sind. Denn sie sind so gestaltet, dass sie deine Aufmerksamkeit stehlen und die ganze Zeit versuchen, dich in Konflikte einzubringen. Demnach ist dies eine wirklich große Herausforderung: Wie kann es denkbar sein, dort eine christliche Botschaft hinzubekommen?

Daniel Heinze (05:04):

Das ist eins der Phänomene mit neueren Social Media Plattformen wie Tiktok zum Beispiel, dass sie dich dazu animieren, weiter und weiter und weiter zu scrollen, es fühlt sich an wie fünf Minuten, und dann hast du schon eine Stunde damit verbracht. Aber du hast nichts Gesundes oder Kreatives getan, du hast nur konsumiert. Und ich denke das ist ein Trend in Social Media, dass es keinen Ort für tiefere Antworten oder Diskussionen gibt.

Nataša Govekar (05:34):

Genau. Zuerst müssen wir uns bewusst sein, dass wir Glauben nicht so kommunizieren können, als wäre es eine Form der Unterhaltung, die mit der Unterhaltung auf TikTok im Wettbewerb steht. Es ist unmöglich.

Daniel Heinze (05:52):

Aber wir müssen auch irgendwie im Wettbewerb stehen, nicht wahr? Oder nicht?

Nataša Govekar (05:58):

Oder vielleicht müssen wir versuchen, einen ganz anderen Ort zu finden, einen neuen Ort zu schaffen, öffentliche Orte zu bekommen, nicht diese privaten Plattformen, die nur dafür geschaffen wurden, Geld für Individuen zu generieren. Vielleicht liegt die zweite Herausforderung eher bei uns, in dem Sinne, wie wir normalerweise an Kommunikation des Glaubens als Informationenverbreitung und Inhalte teilen denken. Aber Glaube wird zuallererst über eine Begegnung kommuniziert, über eine Beziehung. Und hier kommt wieder eine Herausforderung. Wie bringen wir diese in soziale Medien ein? Wie bauen wir Gemeinschaften auf? Wie können wir für einen guten Zweck aktiv sein? Wie können wir es vermeiden, auf „Internet-Trolle“ zu reagieren? Wie können wir diese digitalen Fallen vermeiden, die nur dafür geschaffen sind, unsere Aufmerksamkeit zu stehlen? Das könnte eine andere Herausforderung sein, aber es gibt natürlich noch viel mehr.

Daniel Heinze (07:06):

Aber dies sind die Hauptaspekte bei der Frage, wie wir unsere Werte vermitteln können, um vielleicht eine andere Art der Kommunikation zu ermöglichen, oder eine tiefere Art der Diskussion, als nur an der Oberfläche zu bleiben.

Nataša Govekar (07:23):

Ja, natürlich muss es auf dem Level des Inhalts tiefer sein und nicht nur oberflächlich, aber es geht auch um die Einstellung: Gibt es etwas, woran man uns als Christen erkennen kann; weil wir uns anders verhalten; weil wir zuhören, bevor wir sprechen, weil wir auf Beleidigungen nicht mit anderen Beleidigungen reagieren und so weiter.

Daniel Heinze (07:54):

Im Jahr 2020 hat die theologische Pastoralabteilung des „Dikasteriums für Kommunikation“, dessen Leiter Sie sind, Frau Govekar, ein Projekt mit dem Titel „Glaubenskommunikation in der digitalen Welt“ gestaltet. Was ist das Ziel dieses Projekts?

Nataša Govekar (08:11):

Oh ja, ich würde sagen, dass das Ziel zweigeteilt ist. Zuallererst wollten wir 16 jungen Botschaftern, die aus verschiedenen Kontinenten der ganzen Welt ausgewählt wurden, die Gelegenheit bieten, eine wirklich tiefgreifende Ausbildungserfahrung zu machen. Das war eine wirklich bereichernde Erfahrung, dass sie sich jede Woche online getroffen haben. Natürlich war die erste Herausforderung, den richtigen Zeitpunkt festzulegen. Wenn man Menschen aus Korea, den Philippinen und Lateinamerika zusammenbringt, ist es nicht so einfach: Du wirst jemanden dabei haben, der gerade aufwacht, und jemanden, der gerade ins Bett geht. *Lachen* Aber es war unglaublich, dass es durch diese Meetings und nur eine gemeinsame Woche in Rom möglich war, eine Gemeinschaft von Menschen aufzubauen, die immer miteinander im Kontakt stehen. Und wir versuchen tatsächlich, das weiter zu fördern und neue Wege zu finden, dieses Netzwerk größer und größer zu machen. Es geht also nicht nur um diese 16 jungen Menschen, sondern auch um die Institutionen, die hinter ihnen stehen.

Daniel Heinze (09:46):

Wer sind sie? Sind sie Mitarbeitende der Kirche?

Nataša Govekar (09:49):

Ja, ganz genau. Viele von ihnen arbeiten für die Diözese oder für lokale Caritas Büros oder für andere kirchliche Einrichtungen. Und selbst wenn nicht, sind sie trotzdem auf irgendeine Weise beruflich mit der Kirche verbunden. Unser Auswahlkriterium war, dass diese Menschen nicht nur eine professionelle Erfahrung mit Kommunikation hatten, sondern auch, dass sie auf irgendeine Weise eine Verbindung zur Kirche hatten. Deswegen ist der Kontakt so wichtig, weil sie auf diese Weise voneinander lernen können. Es ist wirklich eine Lernerfahrung, bei der sie durch Ausprobieren lernen, nicht durch einen Lehrer von außerhalb, sondern durch ihre geteilte Erfahrung.

Daniel Heinze (10:52):

Können Sie die Inhalte näher erklären, die Sie mit diesen Menschen aus aller Welt diskutieren?

Nataša Govekar (10:57):

Klar. Wir haben die Möglichkeit gehabt, viele Experten aus der ganzen Welt einzuladen, was sehr bereichernd war, weil das allen geholfen hat, um seine Perspektive und seinen Horizont zu erweitern. Thematisch ging es auf die ein oder andere Weise immer um die Einbindung von Social Media und von dieser Grundlage aus wurden dann Fragen aus der pastoralen Arbeit bis hin zu eher technischen Themen, wie beispielsweise der Nutzung von Datenanalyse, besprochen. Allerdings war das nur ein Aspekt des Projektes. Der zweite Teil bestand darin, ein konkretes Ergebnis zu erzielen, also in einer Partnerschaft mit verschiedenen vatikanischen Institutionen zusammenzuarbeiten und gemeinsam ein neues Angebot zu schaffen, z.B. für soziale Medien oder für eine Webseite o.ä. Und aufgrund von dieser Erfahrung, die sie gemacht haben, zu reflektieren und sich miteinander auszutauschen, was dann der Weltkirche weitergegeben und übermittelt werden kann.

Daniel Heinze (12:38):

Also auf der einen Seite ist es eine Art Ziel, diese Menschen für das, was sie in ihren Bereichen tun, zu stärken und auf der anderen Seite voneinander zu lernen, wie die anderen an einem völlig anderen Ort der Welt arbeiten.

Nataša Govekar (12:58):

Ja, ich würde sagen beides. Uns ist es bewusst, wie wichtig es ist, dass diese Menschen nicht nur Individuen sind, sondern Mitglied einer Gemeinschaft. Deswegen versuchen wir, sie in mehreren Phasen des Projekts zu involvieren. Außerdem tragen sie auch Verantwortung: z.B. haben wir ihre Bischöfe oder ihre Chefs eingeladen, um als Begleiter und Unterstützung für die Person teilzunehmen. Sodass diese Erfahrung nicht nur für sie ein Geschenk ist, sondern für die ganze Gemeinschaft, der sie dienen.

Daniel Heinze (13:39):

Ich habe mich gefragt, mit wem diese Menschen kommunizieren? Sind das Menschen, die sich für die Kirche interessieren oder die auf der Suche nach spiritueller Kraft sind? Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, müssen sie irgendwie in alle Richtungen kommunizieren, nicht wahr?

Nataša Govekar (13:55):

Ich würde sagen, beides. Auf der einen Seite gibt es sicherlich Menschen, die ein tiefes Verlangen nach spirituellem Leben haben und sehr dankbar sind, diese Art von Nahrung zu erhalten. Auf der anderen Seite wollen sie sich verbessern, um ihr Institution besser dienen zu können: Kirchen, kirchlichen Institutionen auf allen Ebenen, weil manche, wie ich schon gesagt habe, für das lokale Bistum arbeiten oder für die Bischofskonferenz oder für die Caritas. Aber durch diese Institution dienen sie natürlich auch anderen Menschen im Allgemeinen. Denn wenn man für die Caritas arbeitet, arbeitet man natürlich nicht nur für die Kirche im Inneren, sondern auch für die Menschen am Rande der Gesellschaft.

Daniel Heinze (15:00):

Die katholische Kirche ist eine universelle Kirche mit einer Vielzahl von verschiedenen Regionen, Traditionen und Kulturen. Die Menschen nutzen die sozialen Medien auf verschiedenen Kontinenten oder bei verschiedenen Kontakten auf unterschiedliche Weise. Wie kann man damit umgehen? Es gibt so viele verschiedene Kulturen und unterschiedliche Situationen, und man muss sie zusammenbringen können, um eine Strategie zu entwickeln, die überall funktioniert, oder wie macht man das?

Nataša Govekar (15:30):

Eigentlich ist es nicht unser Ziel, eine einzige katholische Strategie zu haben, die funktionieren kann…

Daniel Heinze (15:39):

Der katholische Weg der sozialen Medien.

Nataša Govekar (15:41):

*lacht* …unser Ziel ist es, Menschen aus der ganzen Welt zusammenzubringen, sowie junge Fachleute, als auch erfahrene Experten, die ihre Talente in einem synodalen Prozess zusammenbringen können. Zuallererst kann dann darüber nachgedacht werden, was es bedeutet, als Christ in den sozialen Medien präsent zu sein. Gibt es möglicherweise eine besondere Art, wie man als Christ präsent sein kann? Und wenn ich sage als Christ, was wir voneinander gelernt haben ist, dass niemand als Individuum anwesend ist. Es gibt keine einzelnen „Influencer“ (einzelne Menschen mit sehr großem Einfluss auf eine breite Menge der Social Media Nutzenden), sondern ich würde sagen, der größte Einfluss ist die Gemeinschaft und die Erfahrung, dass wir alle Mitmenschen voneinander sind. Wir sind jetzt hier in Deutschland, aber wir können über die digitale Welt Freundschaften mit Menschen auf den Philippinen oder im Kongo oder, ich weiß nicht, in Venezuela schließen. Diese Erfahrung hilft uns sehr dabei zu erkennen, dass wir Teil von etwas sind, das größer ist als wir selbst. Und das ist das wahre Geschenk der Weltkirche, dass niemand von uns allein ist. Niemand handelt nur in seinem eigenen Namen, sondern wir sind alle einander Mitmenschen. Und als solche bringen wir alle verschiedene Perspektiven in die Welt.

Daniel Heinze (17:46):

Und wahrscheinlich ist dies an sich schon ein anderer Ansatz für soziale Medien. Ich meine, die meisten sozialen Medien werden von Einzelpersonen betrieben, die sich selbst darstellen oder ihren Lebensstil zeigen wollen und so weiter. Und wenn Sie sagen, dass die Gemeinschaft und der Sinn des Zusammenseins auf eine gewisse Art die Hauptidee einer christlichen Nutzung von Social Media ist, dann ist das ja schon ein neuer Ansatz.

Nataša Govekar (18:16):

Ja. Ich denke, dass wir alle den Sinn für Gemeinschaft in der katholischen Kirche wiederentdecken müssen, mit oder ohne soziale Medien. Wir müssen es wiederentdecken.

Daniel Heinze (18:28):

Ich verstehe. Während der Pandemie führte die Tatsache, dass Christen nicht mehr in der Lage waren, die Messe oder andere Formen des Gottesdienstes persönlich zu besuchen, zu einer Vielzahl von Livestream-Gottesdiensten oder anderen Online-Glaubensressourcen wie Vlogs, Podcasts usw. Auf der anderen Seite sehen wir, dass es jetzt nach der Pandemie, zumindest hier in Europa und in Deutschland, noch weniger Menschen gibt, die regelmäßig zur Messe gehen als vorher. Inwieweit ist die digitale Welt des Glaubens und des Gottesdienstes eine Bedrohung für die Pfarreien und die Wahrnehmung der Glaubensgemeinschaften?

Ich meine, es ist bequem, den Fernseher einzuschalten, einen Gottesdienst anzuschauen und dann sagen, „das war's für diesen Sonntag“, wissen Sie?

Nataša Govekar (19:12):

Oh, ja. Das ist eine sehr tiefgründige und komplexe Frage. Und das stimmt, wir haben viel dafür getan, dass unsere Sendungen und die Liturgien verbessert werden. Was wir vielleicht nicht getan haben und noch tun sollten, ist, den Menschen zu helfen, den Tisch zu Hause mit dem Altar in der Kirche zu verbinden, oder mit anderen Worten, den Menschen zu helfen, die Liturgie zu Hause feiern zu können. Denn überall da, wo zwei oder drei Christen im Namen Jesus zusammenkommen, ist auch Gott unter ihnen anwesend und es geht nicht nur um die Teilnahme an der Liturgie in der Kirche über einen Bildschirm, sondern in erster Linie geht es darum, die Liturgie auch zu Hause als Christinnen zu feiern.

Daniel Heinze (20:19):

Und selbst aktiv zu werden, anstatt nur zuzusehen und passiv zu sein.

Nataša Govekar (20:24):

Ganz genau. Und zwar auch dann, wenn die Liturgie nicht im Fernsehen oder im Radio oder in den sozialen Medien übertragen wird. Das ist die eine Sache. Andererseits könnten wir vielleicht unsere Teilnahme an der Eucharistie mit einem gemeinsamen Mahl vergleichen: Mit meinen Eltern in Slowenien zu Mittag zu essen, ist natürlich nicht dasselbe wie Zoomen oder Skype-Anrufe und sich gegenseitig über den Bildschirm zu beobachten. Natürlich können sie ihre eigene Mahlzeit zu Mittag essen und ich kann sie dabei beobachten, aber ich nehme dann nicht an dem Essen teil. Und ich denke, wir müssen unterscheiden und auch darüber nachdenken, was es bedeutet, an der Eucharistie teilzunehmen, und dass es nicht dasselbe ist, als wenn es sich um Seelsorge und Dienst für diejenigen handelt, die sich nicht bewegen können und physisch nicht in der Lage sind, in die Kirche zu kommen. Und wann dieses Angebot zu einer weiteren Unterhaltung unter anderen Unterhaltungen wird.

Daniel Heinze (21:51):

Glauben Sie also, dass sich die Situation wieder ändern wird? Sind Sie diesbezüglich optimistisch?

Nataša Govekar (21:57):

Vielleicht können diese Dinge, die wir gerade beobachten, auch eine Chance zum Nachdenken und zur Neuentdeckung werden. Die Dinge können besser werden. Vielleicht nicht in Bezug auf die Zahlen, aber auf die Qualität, hoffe ich. Ja.

Daniel Heinze (22:19):

Und in Bezug auf die Tiefe.

Nataša Govekar (22:21):

Ja. Mehr Bewusstsein. Auch das Bewusstsein, wie ich schon sagte, dass es beim Glauben nicht nur um das Teilen von Inhalten geht, sondern um etwas viel, viel Tieferes, das unser ganzes Leben beeinflusst. Und wie Papst Franziskus oft sagt: „unser ganzes Leben besteht aus der Verbindung von Geist, Herz und Händen“, aber wir Katholiken neigen dazu, die ganze Aufmerksamkeit auf den Geist zu richten, aber Herz und Hände werden ebenso gebraucht.

Daniel Heinze (22:53):

Sie dürfen auch nicht vergessen werden.

Nataša Govekar (22:54):

Genau.

Daniel Heinze (22:55):

Ich finde, es ist total interessant, dass Sie sich auch mit der Beziehung zwischen Glauben und Kunst befassen, was meiner Meinung nach etwas ganz Besonderes ist. Inwiefern sind visuelle Medien, wie z.B. Bilder oder Videos besonders geeignet, unseren Glauben zu vermitteln?

Nataša Govekar (23:15):

Tatsächlich war genau das das Thema meiner Doktorarbeit, als ich an der Universität Gregoriana in Rom Missiologie studiert habe: “Glaubenskommunikation durch Bilder”. Und ja, es ist wieder eine Möglichkeit, um wiederzuentdecken, dass unsere Kommunikation nur zum Teil mit Worten erfolgt. Es gibt viel mehr Kommunikationsebenen, die nicht nur durch Wörter erfolgen können. Selbst wenn wir miteinander reden, kommunizieren wir nicht nur mit Wörtern, sondern mit dem Klang der Stimme, dem Tonfall, dem Lächeln, wie wir angezogen sind, wie wir uns anschauen, usw. Auch in unseren privaten Beziehungen. Und das gilt auch für die Räume. Also wenn unsere liturgischen Räume leer sind, kann unsere Vision des Glaubens sehr langweilig werden. Aber im Laufe der Jahrhunderte hat die Kirche diese Orte mit Bildern geschmückt. Warum? Weil die Wände des Raums, in dem wir die Eucharistie feiern, auf eine gewisse Art und Weise das Bild dessen sind, was wir sind oder was wir sein werden. Es ist also ein weiterer wichtiger Teil, der wiederentdeckt werden muss, auch weil wir in einer Kultur leben, die sehr visuell ist, und wir riskieren, in dieser Kultur sinngemäß Analphabeten zu sein.

Daniel Heinze (25:25):

Sind Sie der Meinung, dass Kunst auch zu den sozialen Medien gehört? Vielleicht im Zusammenhang mit dem Glauben? Sind das Bilder, die wir von Kirchen oder von berühmten Kathedralen und so weiter kennen? Vielleicht könnten sie die Leute auch in den sozialen Medien beeindrucken oder zum Nachdenken anregen, wissen Sie, was ich meine?

Nataša Govekar (26:04):

Ja, natürlich. Wenn man einen Weg findet, sie unter all den Bildern zu realisieren. Aber natürlich teilen wir Fotos, auch in den sozialen Medien.

Daniel Heinze (26:22):

Sogar mehr als je zuvor.

Nataša Govekar (26:23):

Ja, genau. Diese Bilder sind Hilfsmittel des Inhalts auf die gleiche Weise wie Worte, ich würde sogar sagen, sogar noch mehr als Worte. Wenn wir im Internet surfen, klicken wir manchmal noch nicht mal auf den Inhalt, aber haben schon das Bild gesehen. Das Bild ist also das erste und sehr oft auch das letzte, was wir von dem Inhalt gesehen haben. Es ist also sehr wichtig, wie wir diese Bilder auswählen und wie wir uns des Potenzials bewusst werden, das sie in sich bergen.

Daniel Heinze (27:12):

Brauchen wir bessere Bilder oder Symbole, um nachvollziehbarer zu werden?

Nataša Govekar (27:21):

Ich weiß nicht, ob wir Symbole brauchen, die leichter zu verstehen sind, denn Symbole müssen normalerweise nicht erklärt werden. Sie müssen einfach nur willkommen geheißen und akzeptiert werden, so wie sie sind. Und wenn jemand das akzeptiert, kann er auch die tiefere Bedeutung akzeptieren, die es mitbringt. Aber es ist ein Prozess. Das ist etwas, was wir lernen müssen: die Sprache der Symbole, die wir über die Jahrhunderte verloren haben, vor allem hier in der westlichen Welt, wo unser Hauptfokus auf Rationalität lag. Und jetzt kommen wir in ein neues Zeitalter, in dem diese Art der Kommunikation mehr mit künstlerischen Symbolen verbunden ist und Symbole immer wichtiger werden.

Daniel Heinze (28:34):

Nataša Govekar, vielen Dank für Ihre Zeit, Ihre Antworten und, dass Sie an unserem Podcast mitgewirkt haben.

Nataša Govekar (28:41):

Vielen Dank für dieses Gespräch und danke an alle Zuhörer.

Daniel Heinze (28:48):

Genau, vielen Dank an die Zuhörer, dass Sie sich die Zeit genommen haben und uns Heute zugehört haben. Bis zum nächsten Mal!