22. Oktober 2019

Halbzeit

Ideologie, Kunst, Vision „Der Weg der Roten Fahne“

Am 7. Oktober wurde die Open-Air Ausstellung „Ideologie. Kunst. Vision“ in der Schloss-Straße eröffnet. Sie setzt sich mit dem Wandbild am Kulturpalast „Der Weg der Roten Fahne“ auseinander, das dieser Tage 50 Jahre alt wird. Mit Ausstellung und einer Veranstaltungsreihe will sich die Gedenkstätte Bautzner Straße und ihre Projektpartner des Werte-Gehaltes des Wandbildes annehmen und in einer Zeit, die von vielen als orientierungslos empfunden wird, ins Gespräch mit Besucherinnen und Besuchern über ihre Werte und Ideale kommen. Die Ausstellung ist noch bis zum 9. November zu sehen.

Die Projektpartner sind der Verein Denk Mal Fort! e. V., der Sächsische Landesbeauftragte für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, die Katholische Akademie des Bistums Dresden-Meißen und die OSTRALE. Zentrum für zeitgenössische Kunst.

Die Open-Air-Ausstellung in zwei Containern

Zur Ausstellung sagtUljana Sieber, Leiterin der Gedenkstätte: "Das Besondere an dieser Ausstellung ist, dass wir zu den Menschen, ins Zentrum der Stadt, gegangen sind. Mit den Installationen möchten wir einen Anstoß geben, über das Leben in der DDR nachzudenken, in persönlichen Erinnerungen nachzuspüren, was als besonders belastend, einschränkend oder was als gut empfunden wurde. Dieser Rückblick soll auch dazu anhalten, über Werte, Wünsche und Ideen nachzudenken, die wir für die Gestaltung unserer Gesellschaft für wichtig halten. Jeden Tag ist ein Ansprechpartner vor Ort, der Gespräche und auch Interviews mit interessierten Besuchern führt.“

Container 1 – Der Blick zurück:Dem idealisierten Bild einer Gesellschaft, wie es das Wandbild darstellt, wird die Wirklichkeit des Alltags in der DDR gegenübergestellt. Dazu hat die Dresdner Künstlerin Ulrike Rüdiger-Gärtner in ihrer Installation Gegenstände aus dem Alltagsleben der DDR zusammengetragen, vorwiegend aus der Entstehungszeit der Roten Fahne, also den späten 60er Jahren. Außen an dem Container ist die Aufschrift des deutschen Konzept Künstlers Jochen Gerz zu lesen „Denn die Orte der Erinnerung sind Menschen, nicht Denkmäler“. Dies und das dargestellte Hinwegfegen der bestehenden Ordnung in den Herbststürmen ´89 soll anregen, sich der nostalgischen oder auch bitteren Erinnerungen zu vergegenwärtigen, sinnlich das Wertebild an der Wand und die persönliche Vergangenheit in Bezug zu setzen.

Container 2 – Der Blick in die Zukunft.Er weckt Assoziationen an ein Labor und zeigt eine Video-Arbeit des Künstlerkollektivs Heinz Schmöller und Lukas von der „Praxis für alternative Handlungen“. Der Besucher wird aufgefordert, sich mit seinen eigenen Werten und Idealen auseinander zu setzen. Diese kann man auf Zettel schreiben und diesen gemeinsam mit einem Reagenzglas, in das man zuvor einen Setzling gesteckt hat, an der Container-Wand befestigen. Daneben gibt es einen begleitenden Fragebogen, der vor Ort oder online unter www.denk-mal-dresden.deausgefüllt werden kann. Als kleine Anerkennung gibt es Freikarten für die Gedenkstätte Bautzner Straße. Bisher liegen rund 70 Fragebögen vor – ein gutes Ergebnis, über das sich die Ausstellungsmacher freuen.

Wer in diesen Tagen unterwegs ist zwischen Altmarkt und Schloss, schaut gerne und neugierig in die Container. So auch der Liedermacher Wolf Biermann. Er kam zufällig vorbei, weil er in Dresden eine Lesung hatte. Er hinterließ ein Gedicht zur Friedlichen Revolution mit persönlicher Widmung und nahm mit seinen Begleitern Fragebögen mit.

 

Aufruf: Ein interaktives Fotobuch

Die Beschäftigung mit der Vergangenheit und die Auseinandersetzung mit Werten soll in einem interaktiven Fotobuch dokumentiert werden. „Wir freuen uns, wenn sich viele bei uns mit einem Gegenstand fotografieren lassen, der eine besondere Bedeutung in der Vergangenheit hatte und auch noch heute und in die Zukunft wirkt. Wer mag, kann auch den Gegenstand fotografieren lassen. Diese Fotos und deren Geschichte möchten wir in einem Album sammeln und zum Gespräch darüber anregen“. So Uljana Sieber.

Ein Anfang ist gemacht. Prominent und mit einem eigenen Album vertreten ist der Fotograf Günter Starke, der in diesem Jahr seinen 75ten Geburtstag feierte. Er entdeckte die Fotografiezunächst als persönliche Nische, später dann als Profession. Über Jahre dokumentierte er die Menschen und Häuser in Dresdens Äußerer Neustadt, fand immer mehr Zeichen des Niedergangs, aber auch unfreiwillige Kuriosa. Für das Projekt „Ideologie. Kunst. Vision“ hat Günter Starke erstmalig sein privates Fotoarchiv geöffnet. Die Zusammenstellung in diesem Fotoalbum möchte genau an diesen Trennlinien ansetzen: Ein Leben zwischen vorgeprägten Idealen und den eigenen Werten, die darin erkennbaren Brüche und die Fähigkeit diese anzunehmen.

 

Das Wandbild

Das Wandbild „Der Weg der Roten Fahne“ wird dieser Tage 50 Jahre alt. Es wurde von Gerhard Bondzin, dem damaligen Rektor der Kunsthochschule, entworfen und u.a. mit der „Klasse für Monumentalmalerei“ ausgeführt. Auch das angewandte technische Verfahren war neu. Glaspartikel wurden per Elektrolyseverfahren auf Betonplatten aufgebracht. Entwickelt wurde das Verfahren an der HTW Dresden. Das Bild ist 30 Meter lang und 10 Meter hoch. Die Analogie zum benachbarten Fürstenzug wurde zwar stets geleugnet, drängt sich aber auf.

Der Titel „Der Weg der Roten Fahne“ ist einem Zeitungsartikel von Karl Liebknecht im gleichnamigen Parteiblatt der Kommunistischen Partei im Januar 1919 entlehnt. Dargestellt wird 120 Jahre Geschichte der sozialistischen Bewegung und das Aufgehen der sozialistischen Ziele in der sozialistischen Menschengemeinschaft. Die Darstellung in 14 Figurengruppen beginnt mit Karl Marx und endet rechts mit der Verbrüderung mit den Sowjetsoldaten und dem Bekenntnis zur internationalen Solidarität.

Nach 1989 wurde das Wandbild als „Propaganda-Machwerk“ identifiziert und sollte abgeschlagen werden. Es entstand über Jahre eine heftige Diskussion, wie damit zu verfahren sei. Schließlich wurde es unter Denkmalschutz gestellt, restauriert und wird nunmehr in weiten Kreisen als ein architektonischer Bestandteil der Geschichte Dresdens akzeptiert.