Wer verletzt die Würde eines Menschen, wenn dieser mit der Last von Behinderung leben muss: Die Gesellschaft, die zu wenig hilft? Die Natur, die das Leben beschädigt? Der Behinderte selbst, der vielleicht Schuld an seinem Schicksal trägt?
Die Antwort ist mehrdeutig. Nicht immer ist die Gesellschaft tatsächlich in der Lage, den umfassenden Ausgleich der Nachteile und Lebenslasten bereitzustellen. Dann wieder mischen sich Ohnmacht und Bequemlichkeit, ja Fantasielosigkeit. Es braucht die Kraft, im Interesse der Betroffenen Veränderungen – auch gegen Widerstand – durchzusetzen. Wenn ich aber als Mensch mit Behinderungen das Leben der Anderen im Blick haben muss, sollte ich mir ebenso vor Augen halten, dass das Ertragen der Last der Grenzen meines Lebens seine eigene Würde hat.

Prof. Dr. Josef Römelt lehrt Moraltheologie und Ethik an der Theologischen Fakultät der Universität Erfurt.